Mittwoch, 2. August 2023

Es war stockdunkel

 als die Maschine, eine TriStar der Caribbean Airways auf der Insel landete. Mir war,
als hätte ich eine Sauna betreten, als wir die Gangway hinunterstiegen. Der Himmel
war wolkenverhangen, es hatte gerade geregnet. Müde und etwas erschöpft vom langen
Flug über den Atlantik erreichten wir schließlich das Hotel. Und dann passierte etwas,
was ich vorher auf meinen Reisen so noch nie erlebt hatte.

 
Im dezenten Licht der bernsteingelben Stehlampen sah ich mich in der geräumigen
Empfangshalle um. Bequeme Rattansessel luden in der gediegenen Atmosphäre zum
Verweilen ein. Große Pflanzenkübel mit Areca Palmen standen zu beiden Seiten der
weit geöffneten Flügeltüre, die hinaus ins Freie führte. Die Regenwolken hatten sich
verzogen und gaben den Blick frei auf einen pechschwarzen Himmel mit Millionen
Sternen und einem Mond, dessen Licht sich im Meer spiegelte. Hier war die Luft
mild, es wehte ein kaum spürbarer, lauer Wind. Ringsherum herrschte eine wohltuende
Stille, nur das sanfte Rauschen des Meeres und das Zirpen der Zikaden war zu hören,
Über dem Eingang, an dem dunkelrote Bougainvillea rankte, las ich den Namen
des Hotels: Welcome Inn. Für einen Moment schloss ich die Augen und plötzlich
erschien mir alles so vertraut. Ein seltsames Gefühl beschlich mich, hierher zu
gehören, angekommen zu sein. Es war, als ob meine innere Stimme mir sagen wollte,
jetzt bist du da, hier bist du zu Hause. Im selben Augenblick wusste ich, dass diese
Insel etwas Schicksalhaftes in meinem Leben auslösen würde. Und nur ein paar
Minuten später, nahm das Schicksal bereits seinen Lauf.

 
 Nichts ahnend, verharrte ich noch einen Moment in der Stille, dann wandte ich mich um
und ging zurück in die Halle - dort stand er, groß und schlank, sein dunkles Haar ein wenig
zerzaust. Lässig an die Rezeption gelehnt lächelte er mich mit seinen großen, dunklen
Augen unverhohlen an. Diese Augen strahlten eine Energie aus, eine Lebensfreude, die
wie ein Blitz aus heiterem Himmel in meine Seele einschlug und mein Herz entflammte.
Von einer Sekunde auf die andere befand ich mich in einer Traumwelt, der ich nicht mehr
entfliehen konnte. Die magische Anziehungskraft dieser Augen nahm mich gefangen.
Wie in einen tiefen See tauchte ich in diese Augen ein, um in einer anderen, mir
unbekannten Welt wieder aufzutauchen. Das Schicksal ließ sich nicht mehr aufhalten.
 
Ich sage nur so viel, man könnte nicht nur ein Buch darüber schreiben, sondern auch
gleich ein sehenswertes Film-Liebes-Drama drehen mit allem, was dazu gehört, denn
ein paar Jahre später sollte es auf der Insel noch eine weitere schicksalhafte Begegnung
geben, die meinem Leben abermals eine drastische Wendung gab.
Das Leben auf den karibischen Inseln kann man sich, wenn man es nicht selbst erlebt
hat, gar nicht vorstellen. Nicht einmal Bücher oder Filme können das darstellen.
Man muss es einfach erlebt haben.
 
 
Ein ganz normaler Urlaub im Tropenparadies sollte zu meinem Schicksal werden.
Und was für eins ! Zehn Jahre lang sollte ich in diesem Paradies leben, in dem das
Leben fast wie eine Droge wirkt, war man dieser Droge einmal verfallen, kommt
man so schnell nicht mehr davon los. Das Leben auf der Insel ist von einer
unbeschreiblichen Leichtigkeit, von einer Unbeschwertheit und Langsamkeit,
an die ich mich - aus einer Großstadt wie Berlin kommend, erst einmal gewöhnen
musste. Das Leben fern von Lärm, Hektik und Stress, in ewigem Sonnenschein,
umgeben von einem türkisfarbenen Meer, von weißen palmengesäumten
Sandstränden, einer vielfältigen, üppigen Vegetation, wie sie malerischer nicht
sein könnte sowie freundlichen und fröhlichen Einheimischen sind wie ein
unermessliches Geschenk, für dessen kostbaren Wert ich für den Rest meines
Lebens dankbar sein werde.

Erst auf der Insel habe ich begriffen, was es bedeutet,
zu leben und worauf es im Leben ankommt.
Alleine dafür bin ich schon unendlich dankbar,
von den wertvollen Erinnerungen, ganz zu schweigen.
Ich sag's mal so,
der liebe Gott hat es wirklich gut mit mir gemeint,
dessen bin ich mir immer wieder bewusst.
 
~*~

Durch den zunehmenden Tourismus hat die Insel mittlerweile viel von ihrem
damaligen ursprünglichen Charme, ihrer Natürlichkeit, ihrer Einmaligkeit und
Einfachheit verloren, wie so viele andere Länder und Inseln dieser Welt eben-
falls. Das ist so schade, denn heutzutage würde ich nicht mehr dort leben
wollen. Wie fast überall auf der Welt hat der Kommerz auch auf den Inseln
seine Spuren hinterlassen und der Umwelt unermesslichen Schaden zugefügt.
Dennoch ist und bleibt es eine karibische Trauminsel, die 1975 einen Wende-
punkt in meinem Leben einläuten sollte.

Die St. Johns Church an der Ostküste, wurde gebaut, nachdem die vorherige
Kirche 1831 von einem Hurrikan zerstört wurde. Dieses Foto wurde 1995
aufgenommen, als ich die Insel das letzte Mal besuchte.

~*~
 
Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden,
was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
Marie Ebner-Eschenbach
 
~*~

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