Freitag, 22. März 2024

Der Schachspieler

Die Sonne schien durch das Fenster auf das Schachbrett. Es lief gut für ihn.
Seine letzten Züge waren wohlüberlegt.
 

Waldemar war ein leidenschaftlicher Schachspieler. Er war ein Mann Anfang siebzig,
mit schütterem, grauem Haar und einem stets selbstsicheren Lächeln auf den Lippen.

An diesem Tag spielte Waldemar wieder einmal gegen einen seiner langjährigen
Rivalen, den Joseph, ein alter Meister. Das Schachbrett war aufgebaut, die Figuren
standen auch an diesem Tag in ihren Startpositionen. Spannung lag in der Luft.
Waldemar fühlte sich siegessicher. Er war es gewohnt, zu gewinnen. Die letzten fünf
Partien waren gut für ihn gelaufen. Er hatte wieder einmal gewonnen und war über-
zeugt, dass er auch diesmal als Sieger hervorgehen würde.

Die ersten Züge verliefen wie erwartet. Waldemar setzte seine Figuren geschickt ein,
eroberte Raum und Kontrolle über das Brett. Joseph hingegen wirkte nervös und
zögerlich. Waldemar konnte den Triumph bereits schmecken. Er sah sich schon als
 unangefochtener Champion des »Schachmatt«.

Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Waldemar hatte einen Zug übersehen. Ein
kleiner, unscheinbarer Bauer stand plötzlich vor seiner Dame und drohte, sie zu
schlagen. Waldemar starrte auf das Brett, seine Stirn in Falten gelegt. Wie konnte
ihm das passieren? Er, der sich so sicher gefühlt hatte, hatte einen fatalen Denkfehler
begangen.

Die Minuten verstrichen, während Waldemar nach einer Lösung suchte. Sein Herz
raste, der Schweiß lief ihm über die Stirn. Doch es gab keine Rettung mehr. Joseph,
der alte Meister nutzte die Gelegenheit und setzte Waldemar matt. Er lächelte sanft
und sagte:
“Manchmal sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied ausmachen, Waldemar.”

Waldemar konnte nicht fassen, dass er sich geschlagen geben musste. Er war gewohnt
zu siegen und jetzt das. Er hatte das Spiel verloren, in seinem Übermut diesen kleinen
Bauer übersehen. Mit hängendem Kopf verließ er den Raum. Seine Selbstsicherheit
war zerbrochen. Aber er hatte eine wichtige Lektion gelernt: beim Schachspiel, wie
im Leben, sollte man niemals denken, dass der Sieg bereits sicher ist. Ein einziger
falscher Zug kann alles verändern.

Waldemar hatte sich zu früh gefreut. Sein Hochmut und sein Gefühl von Überlegen-
heit und Triumph war verblasst. Stattdessen empfand er einen Hauch von Demut,
eine Art Bescheidenheit, die sich in seinem Bewusstsein zu vertiefen schien. Das
war wohl die wertvollste Erkenntnis, die er aus diesem stundenlangen Spiel
gewonnen hatte.
 

 Manchmal spielen auch mehrere Schachspieler zur gleichen Zeit gegen den,
der sich für unschlagbar hält. Schachspieler müssen in der Lage sein, mehrere
Züge vorausdenken zu können. Und sie müssen gleichzeitig in der Lage sein,
die möglichen Züge des Gegenspielers einkalkulieren zu können. Denn ein
einziger Denkfehler kann das Blatt wenden und den König schachmatt setzen.
 
© Ursula Evelyn 
 
~*~

Es ist im Leben wie im Schachspiel: Wir entwerfen einen Plan;
dieser bleibt jedoch bedingt durch das, was im Schachspiel dem Gegner,
im Leben dem Schicksal zu tun belieben wird.
Arthur Schopenhauer

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 Bilder mit Freude 😊und KI erstellt by Lauras Home and Garden

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