Dienstag, 10. Oktober 2017

Mutig sein II

Teil II
Ich öffnete die Tür und stieg aus. „Schon gut, ich werde warten.“
„Ja, M’am. Ich komme wieder, später.“
„Gut, in zwei Stunden an dieser Stelle.“

„Ja, M’am.“ Er stopfte den Schein, den ich ihm durchs offene Wagenfenster reichte, in die Tasche und fuhr mit fröhlichem Gesicht davon.
Trotz der drückenden Hitze, die sich in den engen Straßen staute, und einem unangenehmen Ölgeruch in der Luft, drängelten sich die Menschen und Autos durch die lebhafte Stadt. Ziellos schlenderte ich an den kleinen Läden vorbei, warf hier und da einen flüchtigen Blick in die Auslagen. Mein Kleid klebte auf der Haut, mein Mund war ausgetrocknet. Ich sehnte mich nach einem kühlen, erfrischenden Drink. Doch außer ein paar kargen, dunklen Rumshops, aus denen lautes Geschwätz einheimischer Männer bis auf die Straße drang, war weit und breit kein Restaurant oder Bistro zu sehen, in das ich mich hätte hineinwagen können. An der nächsten Ecke wagte ich es  schließlich einen Taxifahrer anzusprechen, der hinter dem Steuer eingenickt war. „Entschuldigung, können Sie mich bitte zu einem Hotel fahren?“
 


Müde hob er den Kopf und blinzelte mich aus verschlafenen  Augen grimmig an. „Ein Hotel?“ fragte er ungehalten. „Was für ein Hotel?“
„Irgendeines in der Nähe.“

„Steigen Sie ein,“ brummte er mich an, um deutlich zu machen, dass er sich gestört fühlte und verärgert war. Mürrisch legte er den Gang ein, gab Gas und fuhr hinter der nächsten Ecke im Schneckentempo einen Hügel hinauf. Vor dem Eingang des Hilton Hotels ließ er den Wagen ausrollen und hielt die Hand auf. „Zehn Dollar.“
„Wie bitte? Zehn Dollar für eine Fahrt von drei Minuten?“

Er schwieg, starrte mit aufgehaltener Hand unbeeindruckt auf die Straße. Wütend stieg ich aus und knallte die Wagentüre so heftig zu, dass er unvermittelt zu mir herumfuhr und mich mit weit aufgerissenen, wässerigen Augen ungläubig anstarrte.
Einen kurzen Augenblick erwiderte ich seinen verwunderten Blick, dann gab ich ihm das Geld und wandte mich erbost von ihm ab.
Hinter dem hohen Portal, in der weitläufigen Halle, verflog mein Ärger über den unverschämten Taxifahrer. Verwinkelte Nischen mit bequemen Sitzgruppen, eingerahmt von phantasievoll arrangierten, tropischen Pflanzen, luden zum Entspannen ein. Scheinbar lautlos durchquerten Pagen und Hotelgäste den großzügig angelegten, hellen Raum, in dessen Mitte, wie in einer kleinen grünen Oase, ein Springbrunnen plätscherte. Im Restaurant auf der Veranda ließ ich mir ein leichtes Mittagessen servieren. Dabei fiel mein Blick auf ein junges Paar am Nebentisch. Er hatte seine Hand auf ihre gelegt. Er sprach leise, wobei er sie unentwegt anlächelte. Sie saß ganz still und erwiderte sein Lächeln, während sie ihm aufmerksam zuhörte. Mit einem Mal regte sich so etwas wie Einsamkeit in mir. Ich fühlte mich plötzlich allein in dieser fremden Umgebung, sehnte mich nach Dons Nähe. Er fehlte mir. Ich wollte bei ihm sein, wollte weg von hier, weg von diesen fremden Menschen, weg aus dieser fremden Umgebung. Ich wollte zurück zu ihm, zurück auf meine Insel. Diese Insel hier war so anders als Barbados, die Menschen waren anders und die Taxifahrer unfreundlich. Eilig drückte ich die Zigarette aus, winkte den Ober herbei und verließ überstürzt das Restaurant.

„Taxi M‘am?“ hörte ich jemanden vom Portal her rufen, doch ich  lief ungeachtet weiter, die Straße entlang, den Hügel hinunter, bis mir die Hitze die Luft zum Atem nahm. Meine Kehle war ausgetrocknet und mein Kleid erneut durchgeschwitzt, als ich die Botschaft endlich erreichte. Obwohl ich eine Stunde auf meinen neuen Pass warten musste, fand ich mich rechtzeitig an der Kreuzung ein. Vom Taxifahrer jedoch fehlte jede Spur. Wo bleibt er denn nur? fragte ich mich immer wieder mit einem ungeduldigen Blick auf die Uhr. Er müsste doch längst hier sein? Unruhig lief ich auf und ab, nahm jedes Auto ins Visier, das sich der Kreuzung näherte, doch er war nirgends zu sehen. Als er auch nach weiteren fünfzehn Minuten nicht auftauchte, beschloss ich widerwillig, mich nach einem anderen Taxi umzusehen und ging notgedrungen die abgeschiedene Straße zum Hafen hinab. Eine Gegend, die alles andere, als einladend war. An der zerbröckelten Hafenmauer lungerten ein paar Rastafaris herum, die ihre Joints rauchten und mich aus den Augenwinkeln verstohlen beobachteten. Ich beschleunigte meinen Schritt, ging immer schneller vorbei an den faulenden Müllbergen und leeren Ölfässern, bis ich am Ende der Mauer auf ein Taxi stieß. Ein beleibter Schwarzer mit fettigem Haar und wulstiger Nase, stand träge gegen den riesigen, pinkfarbenen, amerikanischen Schlitten gelehnt und las in einer Zeitung. Als er mich erblickte, ließ er die Zeitung sinken und nahm die  Sonnenbrille ab. „Taxi M’am?“
Sein fleischiges, vernarbtes Gesicht flößte mir Angst ein. Unwillkürlich presste ich meine Tasche fester an mich. „Ja, zum Flughafen, bitte. Ich habe es sehr eilig. Muss die Maschine um fünf Uhr nach Barbados erreichen.“

„Kein Problem,“ brummte er und riss mit einem Schwung, bei dem mir ein übler Geruch von Schweiß in die Nase stieg, die hintere Wagentür auf. Trotz der unbehaglichen Vorstellung, diesem massigen Koloss zwei Stunden in einem muffigen, alten Schlitten ausgeliefert zu sein, gelang es mir, sein hämisches Grinsen mit einem Lächeln zu erwidern. 
Während der Fahrt warf ich immer wieder einen nervösen Blick auf die Uhr. Den mächtigen Koloss, dessen breiter Rücken mir die Sicht auf die Straße versperrte, schien das jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen. Er hatte den Arm ins Wagenfenster gelegt und sah stur geradeaus auf die endlose Autoschlange, die behäbig über die glühend heiße flimmernde Asphaltstraße dahinkroch. Als er das Steuer plötzlich herum riss  und mit kreischenden Bremsen von der Hauptstraße in einen schmalen, sandigen Weg abbog, hielt ich den Atem an und schaute mich irritiert nach allen Seiten um. „Was ist los? Warum biegen Sie von der Hauptstraße ab?“ fragte ich misstrauisch.
*
Wie es weitergeht ?
Bald mehr !
~*~
(Weitere kurze Episoden sind  HIER  zu finden ;o).
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