Dienstag, 17. April 2012

Die Waschküche

 
Handarbeiten waren ein leidenschaftliches Hobby meiner Mutter, dem sie viel Zeit
und Liebe gewidmet hat.
Manchmal frage ich mich noch heute, woher sie die Zeit genommen hat,
so viel zu nähen, zu stricken und sticken. Wie sie es neben all' der Hausarbeit,
die früher wesentlich anstrengender war als heute, immer wieder geschafft hat,
Zeit für ihre Handarbeiten zu finden.
Als junge Mutter von zwei Kindern hatte sie damals weder so angenehme Hilfen
im Haushalt wie Wasch- und Spülmaschine, noch gab es tiefgekühlte Fertiggerichte,
die sie mal eben in die Mikrowelle hätte werfen können.
 
Damals befand sich im Keller eine Waschküche, in der einmal im Monat ein riesiger
Bottich mit Wasser gefüllt - und mit Kohle beheizt wurde. Darin wurde die "Kochwäsche"
mit einem Holzpaddel per Hand in der Seifenlauge hin - und herbewegt.
Anschließend wurde die kochend heiße Wäsche mithilfe dieses Holzpaddels zum
Ausspülen der Seifenlauge in ein Spülbecken mit kaltem Wasser manövriert.
Das Spülen musste mehrere Male wiederholt werden, bis die Seifenlauge komplett
ausgespült war. Danach mussten große Bettlaken, Bettbezüge, Handtücher, Tischtücher
u.s.w., alle mit der Hand ausgewrungen und in Wäschekörben die Treppe hinauf
in den Hof geschleppt werden, wo die Wäsche zum Trocknen auf die dafür
vorgesehenen Wäscheleinen gehängt wurde. Ich erinnere mich noch genau an
das Bild, das sich mir als  Kind bot, wenn ich die Waschküchentür öffnete und mir eine
feuchtheiße Dampfwolke entgegenschlug, in der ich meine Mutter und meine
Oma nur schemenhaft erkennen konnte. Dieser Waschtag war nicht nur ein Knochenjob,
bei dem meine Oma ihr immer geholfen hat, er nahm auch einen ganzen Tag
in Anspruch. (Das Bügeln nicht mit eingerechnet).
Es gab auch noch kein elektrisches Bügeleisen. Das Bügeleisen, das meine Oma
und meine Mutter benutzten, war wirklich noch aus Eisen und sehr schwer. Um damit
bügeln zu können, musste es zum Heißwerden eine Zeitlang auf die Herdplatte
des Kohleofens gestellt werden und sobald es wieder abgekühlt war, wurde dieser
Vorgang wiederholt. Was für ein Aufwand! Das kann man sich heute gar nicht mehr
vorstellen und dabei ist das noch gar nicht so lange her.

Auch wenn das Leben zu dieser Zeit eher beschwerlich war und das Geld oft
knapp, meine Mutter hat das alles gerne und mit viel Liebe getan. Sie hat mit
Liebe gebacken und gekocht und natürlich nur aus frischen Zutaten - was
anderes gab es zu dieser Zeit auch gar nicht. Sie ist jeden Tag einkaufen
gegangen - denn ein Auto hatten wir nicht - und auf Vorrat konnte man damals
auch nicht einkaufen, weil es weder Kühlschränke noch Tiefkühltruhen gab.
Nur Obst und Marmeladen aus Omas Garten wurden in Gläsern eingekocht und
als Vorrat im Kellerregal aufbewahrt. (Ich koche übrigens auch heute noch
Marmelade ein. Der Vorrat reicht dann meist ein Jahr lang, bis es wieder frische
 Früchte gibt.)
Sie hat also jeden Tag für vier Personen eingekauft und auf einem Kohleofen gekocht,
der jeden Tag geheizt werden musste. Ich erinnere, dass es zum Ende des Monats
manchmal "Himmel und Erde" gab (Kartoffelbrei mit Apfelmus), weil das Geld
knapp wurde - denn Kindergeld, oder irgendwelche Hilfen vom Staat gab es nicht
und selbst wenn es sie gegeben hätte, mein Vater wäre lieber Tag und Nacht
arbeiten gegangen, um seine Familie zu ernähren, als Hilfe vom Staat
anzunehmen. So hat meine Mutter auch kein Betreuungsgeld erhalten. Für sie
war es selbstverständlich, die eigenen Kinder, die sie in diese Welt geboren hat,
auch zu betreuen und sich um sie zu kümmern. Es war eben eine andere Zeit.
Eine Zeit, in der Werte noch von Bedeutung waren.
Eine Zeit, in der mein Vater uns zu Weihnachten noch eine Puppenstube- bzw. ein
Schaukelpferd selbst gezimmert hat. Aus heutiger Sicht bin ich wirklich sehr froh und
sehr dankbar, dass ich zu der damaligen Zeit Kind sein durfte.

Da Kleidung für meinen Bruder und mich oft unerschwinglich war, hat meine Mutter
nicht nur für uns Kinder viel gestrickt und genäht, sie hat auch ihre eigenen Kleider,
Blusen und Röcke, selbst genäht. Ich habe heute noch eine kleine Blechdose mit vielen
Knöpfen, die sie von abgetragenen Kleidungsstücken entfernt hat, um sie später für
andere Kleidungsstücke wiederzuverwenden. Betrachte ich diese Knöpfe heute,
kann ich mich bei manchen noch genau daran erinnern, zu welchen Kleidungsstücken
meiner Mutter sie vor Jahrzehnten einmal gehörten.

Und sie hat Tischdecken bestickt, wie auf dem Foto oben und diese hier:
 

 
Diese Tischdecke ist mindestens 50 Jahre alt. Ich bringe es einfach nicht übers Herz,
mich von ihr zu trennen. Daher lege ich sie im Sommer manchmal zum Tee
am Nachmittag auf den Terrassentisch und denke dabei an meine Mutter,
die uns Kindern so viel Liebe und Geborgenheit geschenkt hat.
Es fällt mir immer noch sehr schwer zu begreifen, dass sie nicht mehr da ist,
dass sie nie wieder zum Kaffee kommt oder anrufen wird.
Wenn eine Mutter geht, ist nichts mehr so, wie es einmal war.
Man wird von einem zum anderen Moment erwachsen.

Wünsche einen besinnlichen Tag
und umarmt heute Eure Mütter - einfach mal so - oder ruft sie einfach mal an.

Laura


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Spruch für den Tag:
Halte ein, wenn es Zeit ist innezuhalten.
Buddhistische Weisheit
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4 Kommentare:

  1. Liebe Laura
    Das hast Du wunderschön beschrieben. Ich erinnere mich noch genau, wie es war in der Waschküche, aber schon als Kind bekam ich dort keine Luft. Wäsche waschen war richtige Schwerstarbeit und gebügelt wurde am Tag danach, teilweise erst noch gestärkt und dann gebügelt.

    Wir hatten eine andere Kindheit und auch andere Wertvorstellungen. Mein Püppchen war vor dem Weihnachtsfest verschwunden und saß mit einem neuen Kleid unterm Tannenbaum. Meinen Teddy, den ich als Kind zum Fest bekommen habe, habe ich heute noch, er sitzt an meinem Bett.

    Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen und habe von ihr auch noch den Nähkasten und die Knopfdosen, eine mit weissen und eine mit bunten Knöpfen.

    Erinnere mich an Omas Nähzimmer, da war immer was los, tolle Stoffe und Schnittmuste lagen da und es war immer eine Freude mit anzusehen, was alles aus einem Stück Stoff werden konnte.

    Habe auch noch handgestickte Decken, die ich als junge Frau gestickt habe, zu jeder festlichen Gelegenheit die passende Decke, einen Teil habe ich meiner Tochter geschenkt, als unser Julchen geboren wurde und sie liebt Omas Decken heiß und innig.

    Schöne Erinnerungen...
    Es war eine schöne Kindheit in der wir gelebt haben.

    Wünsche Dir einen herrlichen Tag
    Angelika

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  2. Der Anblick Deiner bestickten Decke erinnert mich an Weihnachtsdecken die wir daheim hatten. Schön bestickt mit weihnachtlichen Motiven. Ich habe das früher auch sehr gern gemacht obwohl in dieser Hinsicht nicht so sehr begabt. Meine Mutter hat auch viel "gehandarbeitet". Ich erinnere mich an kunstvoll gehäkelte Taschentuchbehälter die mit Seidenstoff ausgeschlagen waren. Heute hätte man dafür sicher keine Verwendung mehr. Tempotaschentücher brauchen so eine vornehme Behausung nicht. Aber hübsche Baumwolltaschentücher mit kunstvollen Spitzen schon. Alles wird anders und bleibt doch - wenn auch nur in der Erinnerung.
    LG Christiane

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  3. Liebe Laura,
    du hast es wunderbar beschrieben, ich erinnere mich noch genau an unsere Waschküche und den Waschtag.
    Schwerstarbeit für meine Mutter und Oma.

    Es war für mich als Kind eine schöne Zeit.

    Heute geht alles schnell und leicht, dank vieler technischer Hilfsmittel, trotzdem beklagen sich alle über Zeitmangel.

    Ich wünsche dir einen schönen Dienstag.

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  4. Und die Erinnerungen kann uns niemand mehr nehmen.
    Vielen Dank für Eure netten Kommentare. Es war eine Freude, sie zu lesen.
    Habt einen schönen Abend und lasst es Euch gut gehen.
    Bis dahin - liebe Grüße
    ~*Laura*~

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Danke für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass Du Dir die Zeit für ein paar nette Worte nimmst.

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