Donnerstag, 17. November 2022

Vom Fluch der interessanten Zeiten


Der Wortlaut dieses chinesischen Sprichworts lautet eigentlich:
Mögest du in interessanten Zeiten leben !
 


Dieser Spruch ist aber nicht etwa nett und freundlich gemeint. Ganz im Gegenteil, es
handelt sich nämlich um einen Fluch. Nun könnte man meinen, das gesamte chinesische
Volk hat dem Rest der Welt eine »interessante« Zeit gewünscht, denn die heutige Zeit
scheint tatsächlich irgendwie verflucht zu sein. Doch die Herkunft dieses Sprichworts ist
bisher nicht eindeutig belegt und dennoch leben wir derzeit in wahrlich »interessanten«
Zeiten, »Interessant« ist eigentlich nicht der richtige Begriff, um die jetzige Zeit zu be-
schreiben. Die heutige Zeit ist eher besorgniserregend, beängstigend, befremdlich, sie
erscheint bedrohlich und voller neuer Gefahren, die bisher so gar nicht zu unserem Alltag
gehörten. Krisen beherrschen seit ein paar Jahren unseren Alltag und rauben uns die Unbe-
schwertheit, die Gelassenheit, die Fröhlichkeit und Heiterkeit, ja sogar den Humor. Worüber
soll man noch lachen, wenn man sich plötzlich mit Dingen und Themen beschäftigen muss,
die alles andere als lustig oder zum Lachen sind.
 
Natürlich kann man auch in einer krisengeschüttelten, düsteren, ja dystopisch anmuten-
den Zeit, ein gutes Leben führen. Es wäre tragisch, wenn wir jetzt alle in Trübsinn ver-
fallen, aber die Zeiten haben sich nun mal geändert und jetzt heißt es, damit umzugehen
lernen. Da wären die täglichen schlechten Nachrichten über den Ukraine-Krieg, die all-
gegenwärtigen Unwetter überall auf der Welt, die Hurrikans, Feuersbrünsten, Über-
flutungen, Erdbeben. Da ist die Klimakrise, die wärmer werdenden Meere, die schmel-
zenden Gletscher und Pole. Der Hunger in manchen Teilen der Welt, die Flüchtlings-
krise, die Energiekrise, die Inflation, Wohlstandsverlust sowie ein schleichender Demo-
kratieverlust und über allem schwebt das zunehmende weltweite politische Versagen.
All das hat negative Auswirkungen auf den eigenen Alltag.
Auch die Pandemie, dieses nervige Corona-Virus ist immer noch - wenn auch in abge-
schwächter Form - unter uns und wird uns wohl weiterhin erhalten bleiben.
Es ist eine Zeit, in der die bisher gekannte Lebensfreude und Lebensqualität auf der
Strecke bleibt. Das Unvorhersehbare überfordert viele Menschen. Sie sorgen sich und
so mancher leidet unter Existenzängsten. Und das in einem einstmals reichen Land, in
dem man gut und gerne lebte. Diese Zeit ist vorbei, sowohl in diesem Land als auch im
Rest der Welt.

Das gesamte Weltgeschehen ist mit voller Wucht in unseren Alltag eingedrungen und
ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns damit beschäftigen, wenn wir einigermaßen
gut über die Runden kommen wollen. Alles ist teurer geworden. Sparen ist angesagt,
sowohl beim Gas und Stromverbrauch, als auch bei den Dingen und Lebensmitteln für
den täglichen Bedarf.
Sonderangebote sind gefragt und Bevorratung für Eventualitäten, für Lebensmittel-
nappheit, für einen möglichen Blackout. Woran muss ich noch denken ? Alles hat
sich so schnell, so drastisch verändert. Was könnte da noch auf uns zukommen ? Ich
fühle mich fast wie ein Krisenmanager, denn ich möchte auf alle möglichen Szenarien
vorbereitet sein. Das ist für den Fall der Fälle immerhin besser, als später dumm dazu-
stehen und blöd aus der Wäsche zu gucken. Wer weiß denn schon, ob die Lieferketten
aus welchen Gründen auch immer nicht plötzlich versagen, immer mehr Firmen und
Geschäfte aufgrund der hohen Energiepreise schließen müssen. Die Zeiten sind unsicher
und chaotisch geworden und das wird sich so schnell nicht wieder ändern, denn die
»guten, alten, relativ sorglosen Zeiten« sind nun mal vorbei und werden nicht wieder-
kommen. Je schneller man sich damit abfindet und an diese neue »interessante Zeit«
gewöhnt, desto besser wird man damit zurechtkommen.
 
Gemälde von John Constable - Salisbury Cathedral
 Das waren noch Zeiten ! Leben in ruhigeren, romantischen, gemächlichen Zeiten
ohne Stress und Hektik

*

Es tut gut, sich in diesen »interessanten« Zeiten,
über denen tatsächlich wo etwas wie ein Fluch zu schweben scheint,
ein wenig Gelassenheit zu bewahren.

~*~
 
In allen Dingen ist hoffen besser,
als verzweifeln.
Goethe

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Bild oben: Pixabay
Bild unten: wikipedia - gemeinfrei

2 Kommentare:

  1. Die Chinesen neigen dazu, in bildhaften Sätzen zu sprechen und dem geneigten Zuhörer die Deutung zu überlassen. Das ist historisch gewachsen ;-) Die Deutung kann dann auch für jeden anders ausfallen. Ich würde hier interpretieren, dass man dem Adressaten eine Zeit wünscht, an der er wachsen kann und zu höheren Erkenntnissen kommt. Im Hinterstübchen könnte man sicher auch meinen, das sei eine verbrämte Aussage und man wünscht dem anderen gehässig möglichst viele Hindernisse auf dem Weg durchs Leben. Ja, wir durchleben eine schwierige Zeit - wenn wir sie in unserem Alter denn noch durchleben.
    Die Nacht hat es hier kernig gefroren, die Vogelfutterplätze sind rege besucht. Ich habe den Eindruck es gibt mehr Vögel denn je. Wir kaufen das Vogelfutter schon in Großgebinden.
    LG Christiane

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    1. Da ist was dran, liebe Christiane, es gibt mehrere Möglichkeiten der Interpretation. Die Chinesen sind für ihre Weisheiten bekannt, allerdings auch dafür, sich vor klaren Aussagen zu drücken. Einerseits mag ich diese Philosophie, andererseits empfinde ich das oft auch als Feigheit. Um zu höherer Erkenntnis zu gelangen, muss man sich allerdings erstmal mit der Bedeutung von einer „interessanten Zeit“ auseinandersetzen. Wenn ich das auf die heutige Zeit anwende und das habe ich in dem Fall getan, finde ich sie in einem gewissen Sinne tatsächlich interessant, weil sich das derzeitige Zeitgeschehen inzwischen fast auf jeden einzelnen Mensch in der gesamten Welt auswirkt. Da wird es Menschen geben, die daraus lernen, andere werden nur rummeckern und wieder andere interessiert es nicht sonderlich, weil es ihnen noch gut geht oder sie nur indirekt betroffen sind.
      Tatsächlich soll es sich bei dieser Aussage um einen Fluch, um eine Art Verwünschung handeln. Das wiederum hat mich ziemlich erstaunt. Denn wer würde einen anderen Mensch mit einem Fluch belegen? Das wäre in der Tat eine Gemeinheit.
      Aber ich stimme dir zu, man kann es auch zu seinen eigenen Gunsten interpretieren. Für mich ist das derzeitige Geschehen einfach hochinteressant, weil auf längere Zeit Sicht nicht absehbar ist, wie sich das weltweite chaotische Geschehen mit sämtlichen Problemen entwickeln wird.

      Ja, es ist frisch geworden. Dass es bei euch schon friert, überrascht mich dann doch. Hier war und ist es eher noch mild. Der Professor bestellt das Vogelfutter auch 20kg-weise und große Mengen Meisenknödel gleich dazu. Ich freue mich immer so über den regen Ansturm auf die Vogelfutterplätze. Sie werden sich im Frühling mit fröhlichem Gezwitscher dafür bedanken.
      Hab ein gemütliches Wochenende und sei herzlich gegrüßt von
      Laura, die sich nun mit dem Professor auf den Weg zum Einkaufen macht. Brauche noch Tannenzweige und sonstigen Kleinkram für die "besinnliche" Zeit 🎄🎅 Danke für deine Zeilen, liebe Christiane, freu' mich! 😊

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Danke für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass Du Dir die Zeit für ein paar nette Worte nimmst.

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